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HYPERRAUM 1
( Fortsetzung von Bewusstsein 2 )




Nach Willard Van Orman Quine (1908-2000, Philosoph und Logiker) werfen bereits vierjährige Kinder alle philosophisch relevanten Fragen auf:

Woher weißt du das? (Erkenntnistheorie)
Was ist das? (Ontologie)
Warum soll ich? (Ethik)

Der Versuch, auf diese Fragen eine Antwort zu geben, füllt die Bibliotheken der Welt.


Bertrand  Russell

Bertrand Arthur William Russell (1872-1970) war ein englischer Mathematiker und Philosoph. Zusammen mit Alfred North Whitehead schrieb er die Principia Mathematica, eines der wichtigsten Werke mathematischer Grundlagenforschung.


Bertrand Russell schrieb in Philosophie des Abendlandes (1945):

„Die Philosophie ist nach meiner Auffassung ein Mittelding zwischen Theologie und Wissenschaft. Gleich der Theologie besteht sie aus der Spekulation über Dinge, von denen sich bisher noch keine genaue Kenntnis gewinnen ließ; wie die Wissenschaft jedoch beruft sie sich weniger auf eine Autorität, etwa die der Tradition oder die der Offenbarung, als auf die menschliche Vernunft. Jede sichere Kenntnis, möchte ich sagen, gehört in das Gebiet der Wissenschaft; jedes Dogma in Fragen, die über die sichere Kenntnis hinausgehen, in das der Theologie. Zwischen der Theologie und der Wissenschaft liegt jedoch ein Niemandsland, das Angriffen von beiden Seiten ausgesetzt ist; dieses Niemandsland ist die Philosophie. Fast alle Fragen von größtem Interesse für spekulative Köpfe vermag die Wissenschaft nicht zu beantworten, und die zuversichtlichen Antworten der Theologen wirken nicht mehr so überzeugend wie in früheren Jahrhunderten.“ (Zitat Ende)

Gemeinsam ist Theologie, Philosophie und Wissenschaft die Frage nach dem Urgrund der Dinge:
Liegt den mannigfaltigen Erscheinungen der Welt etwas Einheitliches zugrunde? Gibt es ein allererstes, oberstes Prinzip (von lat. Principium: Anfang, Ursprung; auch Gesetz oder eine allgemeine Regel), das die Vielgestaltigkeit der Natur hervorbringt, selbst aber keiner Ursache bedarf und nicht dem Wandel der Zeit unterworfen ist?“
In der Bejahung dieser Frage sind sich Theologen, Philosophen und Wissen­schaftler einig, aber schon in der Beantwortung der sich daraus ergebenden Folgefrage:
„Was ist denn nun dieser Urgrund der Dinge genau, und wie hat man sich ihn vorzustellen?“ trennen sich die Wege.

Die Theologie nennt ihn Gott.
Der Gott der christlichen Theologie ist ein personifizierter Gott, und das Wesentliche, was es über Gott, Welt und Menschheit zu wissen gibt, wurde nach Auffassung christlicher Theologie bereits in der Bibel geoffenbart.
Die Scholastik war die christliche Philosophie des Mittelalters und der Versuch die christliche Offenbarung mit der Philosophie des Aristoteles zu einem System zu verbinden.

Nach Laotse (6. Jahrhundert v. Chr.) ist der Urgrund der Dinge Tao.
Tao bedeutete ursprünglich Weg, im klassischen Chinesisch aber bereits Methode, Prinzip. Richard Wilhelm (1873-1930, dt. Sinologe) übersetzte es mit „Sinn“. Nach Laotse ist Tao ein, der ganzen Welt zugrunde liegendes, alldurchdringendes Prinzip. Es ist die höchste Wirklichkeit, die uranfängliche Einheit, das kosmische Gesetz und das Absolute. Aus dem Tao entstehen die „zehntausend Dinge“ (der Kosmos) und deren Ordnung (die Naturgesetze).

In der hinduistischen Philosophie ist es Brahman.
Wenn der Hindu von dem höchsten Gott spricht, meint er keine Person, sondern ein unpersönliches, allumfassendes göttliches ES, das Brahman. Das Brahman ist der Urgrund der Dinge; alles in der Welt ist nur Erscheinungsform dieses Brahman: Götter, Menschen, Tiere, Pflanzen, Steine, Naturerscheinungen.

Bei Parmenides von Elea (ca. 510-450 v. Chr.) ist es das Sein.
Parmenides spricht von der „Einheit des Seins“, welche Alles umfasst und die sich durch die Attribute „ganzheitlich, unvergänglich, unbeweglich, zeitlos, kontinuierlich, unentstanden“ auszeichnet.

Bei Platon (427-347 v. Chr.) ist die höchste Idee das Gute.

Bei Aristoteles (384-322 v. Chr.) ist es „der unbewegte erste Beweger“.

Plotin (205-269/70) nennt es das Eine.
Für Plotin ist das Eine das erste und oberste Prinzip, aus dem das Viele, Mannigfaltige, Materielle, Nicht-Eine durch Emanation hervorgeht.

Nikolaus von Kues (1401–1464) nennt es das Unendliche.
Nikolaus von Kues nimmt den plotinischen Gedanken wieder auf und spricht von Gott als dem Unendlichen, dem Absoluten, in dem alle Gegensätze der endlichen Dinge aufgehoben sind (coincidentia oppositorum). Der Mensch könne dieser „in sich selbst bestimmten Unendlichkeit“ durch das „belehrte Nichtwissen“ (docta ignorantia) teilhaftig werden.

In der Wissenschaft ist die Physik auf der Suche nach einer Theorie von Allem, TOE abgekürzt (Theory Of Everything).

Theorie (griech. theoría: das Anschauen, die Überlegung, Erkenntnis, die wissenschaftliche Betrachtung). Eine Theorie ist im Allgemeinen das systematische, nach bestimmten Prinzipien geordnete Beobachten und Erklären der Realität.

Eine Theorie zeigt einen bestimmten Ausschnitt der Realität. Gelingt es, zuvor getrennte Theorien in einer einzigen Theorie zu vereinen, so zeigt diese neue vereinheitlichte Theorie eine viel größere und tiefere Sicht auf die Realität, als es die zuvor getrennten Theorien konnten. Auch bei der Vereinheitlichung von Theorien gilt: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. So werden vorher nicht gekannte Zusammenhänge erkennbar.

Die Vereinheitlichung von Theorien in der Physik ist der Versuch, verschiedene Phänomene in der Natur einheitlich zu beschreiben. Es ist die Suche nach der Einheit, einem letzten, alles zugrunde liegenden Prinzip. Dem Hyperraum, dem höherdimensionalen gekrümmten Raum, kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.


Vereinheitlichung

Der Versuch einer Vereinheitlichung zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Physik:

Isaac Newton (1643-1727, englischer Physiker und Mathematiker): Als erste Vereinheitlichung wird heute die Newtonsche Mechanik angesehen, wie sie 1687 in Philosophiae Naturalis Principia Mathematica formuliert wurde. Isaac Newton beschrieb darin die Gravitation (Schwerkraft) und die drei Grundgesetze der Bewegung.

Vor Newton hatte Aristoteles Theorien über die Bewegungen aufgestellt. Er unterschied Bewegungen am Himmel und Bewegungen auf der Erde. Die Bewegung der Planeten und Sterne am Himmel war göttlicher Natur. Für Bewegungen auf der Erde machte Aristoteles andere Gesetze geltend. Danach fällt ein Stein zur Erde, weil die Erde der Weltmittelpunkt ist, und mit dem Fallen zum Mittelpunkt eine gestörte Ordnung wieder hergestellt wird.

Die Newtonsche Theorie erklärte diese Bewegungen am Himmel und auf der Erde durch die Gravitation: Der Apfel, der zur Erde fällt, gehorcht dem gleichen Gravitationsgesetz wie der Mond, der um die Erde kreist. Irdische Kräfte und kosmische Kräfte wurden so vereinheitlicht und als wesensgleich erkannt.

Michael Faraday (1791-1867, englischer Physiker und Chemiker): Zu Faradays Zeit waren drei physikalische Grundkräfte bekannt: Gravitation, elektrische Kraft und magnetische Kraft. Faraday war vom inneren Zusammenhang dieser drei Kräfte überzeugt und suchte Zeit seines Lebens nach einer Verbindung.



Faraday in seinem Labor

Faraday in seinem Labor. Aquarell von Harriet Moore


Er glaubte, dass diese verschiedenen Kräfte ineinander umgewandelt werden können. In seinem Notizbuch findet sich schon 1822 der Eintrag: „Convert magnetism into electricity“. In den folgenden Jahren war es für Faraday ein wichtiges Ziel, diese „Umwandlung“ wirklich zu erreichen.

1821 baute Faraday zwei Vorrichtungen, um das herzustellen, was er „elektromagnetische Rotation“ nannte, den ersten Elektromotor.
Zehn Jahre später, 1831, begann er mit einer Serie von Experimenten, die schließlich zur Entdeckung der elektromagnetischen Induktion führten. Sie erlaubten es ihm, den ersten Dynamo (Generator) zu konstruieren. Diese Experimente bildeten die Grundlage der modernen elektromagnetischen Technologie.

Am Ende konnte er nicht nur zeigen, dass elektrische und magnetische Kraft miteinander verknüpft sind, sondern auch, dass sie dem Licht zugrunde liegen.

Seit etwa 1849 versuchte Faraday dann, Gravitation in Elektrizität umzuwandeln, aber diese Bemühungen waren ebenso erfolglos wie fast 100 Jahre später die theoretischen Ansätze Albert Einsteins, Gravitation und Elektromagnetismus in einer vereinheitlichten Theorie zusammenzufassen. Resigniert schrieb Faraday:

„Hier enden für jetzt meine Versuche, ihre Resultate sind negativ. Sie erschüttern aber das starke Gefühl in mir nicht, dass eine Beziehung zwischen Schwerkraft und Elektrizität vorhanden ist, obgleich die Experimente bis jetzt nicht bewiesen haben, dass es so ist.“

Auch der Begriff des Feldes geht auf Faraday zurück. Er verteilte feine Eisenspäne in der Umgebung von Magnetpolen. Dadurch wurden Linien angezeigt, die von den Magnetpolen ausgingen. Faraday nannte sie Feldlinien und vermutete, dass die Kraft von einem Pol zum anderen entlang dieser Feldlinien übertragen wird. Damit war die Idee des Kraftfeldes geboren. Auch außerhalb der sichtbaren Materie ist der Raum nicht einfach leer, sondern von Feldern durchzogen.


Was ist Kraft?

Kraft ist philosophisch gesprochen das Formende, Strukturierende, das was sich als Werden äußert. Damit ist aber noch nicht beantwortet, was Kraft ist und wie sie zustande kommt.

Newtons Gravitationstheorie macht so exakte Aussagen über die Bewegung von Körpern unter dem Einfluss der Schwerkraft, dass sie noch heute von der Weltraumfahrt verwendet wird, um Satelliten zu den Planeten unseres Sonnensystems zu schicken. Trotzdem weist sie einen nicht unerheblichen Mangel auf: Sie erklärt nicht, was Gravitation eigentlich ist. Wodurch wirkt die Gravitation? Wie können sich zwei Körper, die hunderte von Millionen Kilometer voneinander entfernt sind, gegenseitig in ihrer Bewegung beeinflussen?

Faraday führte zwar den für die zukünftige Entwicklung der Physik sehr wichtigen Begriff des Kraftfeldes ein und konnte damit zeigen, wie sich elektrische und magnetische Kräfte im Raum ausbreiten, aber auch das erklärte noch nicht, was Kraft eigentlich genau ist und wie sie zustande kommt.

Bernhard Riemann (1826-1866, deutscher Mathematiker): Als Riemann an seinem Vortrag Über die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen arbeitete und dabei die Theorie höherer Dimensionen entwickelte, half er zur selben Zeit Wilhelm Weber bei seinen Experimenten zur Elektrizität. Das brachte ihn in Verbindung mit Faradays Arbeiten. Riemann war von der Vorstellung, dass Elektrizität und Magnetismus nur verschiedene Manifestationen einer einzigen Kraft sind, fasziniert und versuchte mit Hilfe der Mathematik, die „Einheit aller physikalischen Gesetze“ zu finden. Trotz häufiger Krankheit gelang es ihm schließlich, dem Konzept der Kraft eine völlig neue Deutung zu geben:

Kraft = Krümmung. Kraft entspricht den geometrischen Verwerfungen eines höherdimensionalen Raumes. Ähnlich wie ein 2-dimensionales flaches Blatt Papier in die 3. Dimension hinein geknittert wird, kann man den 3-dimensionalen Raum in die 4. Dimension krümmen. Nach Riemann entstehen elektrische und magnetische Kräfte sowie die Gravitation durch das Krümmen unseres ansonsten flachen 3-dimensionalen Raumes in die 4. Dimension. Die genaue Formulierung für die Gravitation gelang aber erst Albert Einstein in seiner Allgemeinen Relativitäts­theorie (1916), die eine gekrümmte 4-dimensionale Raum-Zeit beschreibt.



Materie krümmt den Raum

Materie krümmt den Raum
Photo credit: © Denver Museum of Nature & Science


Der amerikanische Physiker John Wheeler drückte es so aus:
„Die Materie sagt dem Raum, wie er sich krümmen soll; der Raum sagt der Materie, wie sie sich bewegen soll.“

Faradays, Riemanns und Einsteins Traum von einer vereinheitlichten Theorie der Gravitation und des Elektromagnetismus konnte aber erst in einem 5-dimensionalen Hyperraum, wie er in der Kaluza-Klein-Theorie (1921) beschrieben wird, verwirklicht werden.
Danach sind Gravitation (hält die Planeten auf ihrer Umlaufbahn, lässt das Wasser in Richtung Meer fließen, …) und Elektromagnetismus (Magnetfeld der Erde, Blitze, Licht, Radiowellen, …) nur verschiedene Manifestationen ein und derselben Kraft. Diese vereinheitlichte Kraft wird durch einen gekrümmten 5-dimensionalen Kaluza-Klein-Raum dargestellt.




© Copyright Peter Liendl und Gisela Klötzer




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